Böen, Bier und Grosse Fische
Kirchenheilige waren schon immer wichtige Leute. Auch heute haben sie ihren festen Platz im Kalender – so wie der heilige St. Leodegar, dem in Luzern am 2. Oktober traditionsgemäss mit einem Feiertag gedenkt wird. Ein kurzes Morgengebet und ein stiller Dank an Leodegar, dass er mir die Reise nach Strasbourg zur Le Cœur de l’Écluse ermöglicht – und schon bin ich unterwegs.
Erster Zwischenhalt: der Elektroingenieur meines Vertrauens. Er soll sein eigens konstruiertes Puffer-Ladegerät für die Starterbatterie einbauen – und weil er schon mal an Bord ist, ersetzt er gleich noch den Motorraumentlüfter und den Raumventilator. (Mehr dazu in einem anderen Bericht.)
Am Freitag geht’s los. Acht Schleusen, eine Drehbrücke – allein, aber ohne Zwischenfälle. Am Nachmittag erreiche ich Waltenheim-sur-Zorn, wo ich auf meine beste aller Ehefrauen warte. Bis dahin: Schiff putzen! Und tatsächlich – der Plan geht auf. Sie kommt, staunt, lobt. Ich geniesse. Sie kocht. Ein traumhaftes Fischmenü. Geben und Nehmen – das Rezept einer langen Ehe.
Am Samstag wollen wir eigentlich bis nach Dettling. Doch nach zwei Schleusen zwingt uns ein aufkommender Sturm zum Anlegen. Windböen mit bis zu 80 km/h machen das Schleusen schlicht unmöglich. Am bekannten Anleger „Fleischwurst“ gelingt uns eine regelrechte Sturmlandung. Die Fischer entlang der Poller quittieren unser Manöver zunächst mit strafenden Blicken – doch ein paar offerierte Biere später sind wir die besten Freunde.
Und siehe da: Seit unser Schiff dort liegt, beissen die Fische wie verrückt. Vier Prachtexemplare in wenigen Stunden, der grösste satte 16,5 Kilo schwer. Natürlich werden alle nach dem obligatorischen Foto wieder freigelassen – und nein, es ist nicht immer derselbe Fisch.
Der Sturm tobt bis tief in die Nacht. Das Wasser, sonst glatt wie Glas, wirft Wellen, die an die Bordwand klatschen. Die Bäume biegen sich bedrohlich. Ein Charterboot kämpft sich heran – wir helfen beim Anlegen, während die triefnasse Crew mit weit aufgerissenen Augen an Bord steht. Der Respekt vor Wind und Wasser ist ihnen ins Gesicht geschrieben.
Ein wilder, unvergesslicher Tag auf dem Kanal – und einer dieser Momente, in denen man spürt, dass auch St. Leodegar manchmal eine ordentliche Portion Wind mit auf den Weg gibt.

