Tag 8 / 26.07.2025 Maizières-lès-Vic. Écluse n°11 – Diane-Capelle

26.07.2025 | Sommerreise 2025, Reiseberichte 2025

Motorstunden 3.2 / Fahrkilometer: 18.19 / Schleusen: 6

Logbucheintrag: Ein Halleluja auf dem Wasser

In der Binnenschifffahrt gibt es sie, diese seltenen Tage, an denen alles rund läuft. Nicht nur technisch, nicht nur zeitlich – sondern auch emotional. Umso eindrucksvoller sind sie, wenn sie geschehen, und umso mehr verdienen sie es, erzählt zu werden.

Schon der Morgen beginnt verheissungsvoll: Der prüfende Blick in den Motorraum – der Wasserfilter ist leer! Was auf den französischen Kanälen fast schon einem Wunder gleicht, ist heute Realität. Der Tag startet wie geschmiert, und es bleibt nicht beim ersten Wunder: An jeder Schleuse stehen die Tore offen, als ob sie nur auf uns gewartet hätten – reinfahren, hochschleusen, weiter. Ein fliessender Rhythmus…

Doch dann kommt das Highlight: Die Schleuse von Réchicourt – mit gut 16 Metern Hubhöhe die höchste in ganz Frankreich. Normalerweise wartet man hier gerne eine Stunde, manchmal auch länger. Heute sehen wir das Signal schon von weitem grün leuchten. Das gigantische Bauwerk empfängt uns mit offenem Tor – wir sind allein in diesem gewaltigen Schacht aus Beton und Stahl. Über uns ragen die glatten Schleusenwände wie Kathedralenmauern in den Himmel.

Ein ergreifender Moment. Zeit, Dank zu sagen – für diesen Tag, für das Glück, für diese besondere Stunde. Unsere Coeur ist nicht nur ein Schiff, sie ist auch eine Bühne. Beim Bau haben wir ihr eine kräftige Musikanlage gegönnt – nicht aus Übermut, sondern aus Vorfreude auf genau solche Momente.

Die CD wird eingelegt: Georg Friedrich Händels Messias. Die ersten Takte der Sinfony hallen durch den Schleusenschacht – klare, reine Klänge, getragen von der monumentalen Akustik. Dann erhebt sich der Tenor mit „Alle Tale macht hoch und erhaben“. Wir lauschen ergriffen, und als der Chor einsetzt, scheint der ganze Schleusenschacht zu vibrieren. Jeder Ton prallt an den Wänden ab, vervielfacht sich, steigt mit uns empor.

In Deutschland nennt man es Gänsehaut, in der Schweiz Hühnerhaut – das Gefühl ist dasselbe: Ergriffenheit, Staunen, Freude. Es ist unsere eindrücklichste und erhabenste Schleusenfahrt. Als wir oben ankommen, blicken uns die beiden Schleusenwärter mit einer Mischung aus Unglauben und Respekt an. „Bon voyage“ – mehr bringen sie nicht hervor.

Krönender Abschluss dieses Tages: Ein neu entdeckter Liegeplatz, verborgen und schattig, wo ab 15:00 Uhr riesige, rauschende Bäume das Deck kühlen. Noch einmal legen wir Händel ein, diesmal den zweiten Teil des Messiah. Der Chor singt Halleluja! – und wir stimmen ein.

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