Gefangen im Eis – und der befreiende dritte Anlauf

Gefangen im Eis – und der befreiende dritte Anlauf

Evakuierung – ein Wort, das Dramatik verspricht. Doch nach zwei gescheiterten Auslaufversuchen aus Mulhouse beschreibt es genau das Gefühl, das uns beim dritten Anlauf durchströmt: pure Erleichterung. Zwei lange Wochen waren wir blockiert, gefangen in einem Netz aus Eis und Frustration. Doch heute, nach Tagen mit Temperaturen über dem Gefrierpunkt, sollten wir endlich unser eisiges Gefängnis hinter uns lassen.

Die ersten beiden Versuche scheiterten kläglich. Kaum hatten wir den Hafen verlassen, liess uns das dicke Eis stecken – ein Rückzug war unvermeidlich. Jede Rückkehr fühlte sich an wie eine Niederlage, und der Blick auf die Eisfläche liess die Zweifel wachsen, ob wir es überhaupt jemals schaffen würden. Doch heute ist alles anders.

Der Kanal ist endlich eisfrei, und wir passieren die Stadtschleuse von Mulhouse mit einem Gefühl, als hätten wir den ersten grossen Gipfel eines Berges erklommen. Der Frachthafen gleitet an uns vorbei und die Weite des Rhein-Rhône-Kanals öffnet sich wie ein Versprechen vor uns. Die durch das Eis entstandenen Schäden am Unterwasseranstrich? Sie sind erheblich, keine Frage – aber das ist eine Sorge für einen anderen Tag. Jetzt zählt nur die Freiheit und die Freude, wieder in Bewegung zu sein.

Als wir das Engnis bei der Einfahrt in den Kanal Richtung Kembs erreichen, das uns sonst mit seiner starken Strömung Respekt einflösst, erwartet uns eine angenehme Überraschung: Die Wasserführung ist heute gering, und wir gleiten problemlos hindurch. Ein weiteres Hindernis überwunden.

Im Heimathafen von Kembs angekommen, ist die Erleichterung greifbar. Die Nutria, die hier heimisch sind, scheinen uns freudig zu begrüssen. Eines der Tiere wagt sich sogar so nah heran, als wolle es mit uns an Bord kommen und die Abenteuer des Kanallebens teilen.

Diese eisige Erfahrung hinterlässt nicht nur Schäden am Schiff, sondern auch eine wertvolle Lektion: Ein Kanal kann über Nacht so dick einfrieren, dass selbst ein erfahrener Schiffsführer chancenlos ist. Minusgrade und kleine Kanäle? Das nächste Mal überlegen wir uns sehr genau, ob wir im Winter wirklich auf einen kleinen Kanal einbiegen wollen. Doch heute überwiegt die Freude. Wir haben das Eis bezwungen – und mit ihm ein Stück Unsicherheit, die uns seit Wochen begleitete.

Hallo, ich bin Martin Dudle und auf meinem Blog schreibe ich vorwiegend über meine Erlebnisse rund um die Binnenschifffahrt. Vielen Dank, dass du da bist!

10. Januar 2025

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